Berlin. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) konkretisiert den Zeitplan zur Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA): Ab 29. April könne die ePA „in ganz Deutschland genutzt werden“, spätestens ab 1. Oktober soll sie nach gesetzlichen Vorgaben verpflichtend sein. Das geht aus einem auf den 15. April datierten Schreiben Lauterbachs an die Gesellschafter der Gematik hervor, das der Redaktion von Hausärztliche Praxis vorliegt.
Darin untermauert Lauterbach die jüngsten Ankündigungen eines stufenweisen Rollouts.
Wichtig für Praxen: Das Schreiben unterstreicht, dass für Ärztinnen und Ärzte zunächst keine Sanktionen geplant sind. Leistungserbringer sollen „nicht unter Druck geraten für Umstände, die sie nicht zu verantworten haben“. Denn in den Modellregionen habe sich unter anderem gezeigt, dass die Nutzbarkeit der ePA “stark von den jeweilig eingesetzten Systemen abhängt”.
Nur in den wenigsten Praxen läuft die Technik bis dato reibungslos. “Dass die Probleme bis zum Start Ende April weitgehend ausgeräumt sind, erscheint nach den bisherigen Erfahrungen der Praxen mehr als fraglich”, betonen die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier, am Donnerstag (16. April). Sie mahnen, Erwartungen realistisch zu formulieren. Mit einem “fulminanten Start” sei nicht zu rechnen.
Mehrwert der ePA Stand heute “begrenzt”
“Man muss auch immer wieder deutlich betonen: Die Funktionalitäten der aktuellen ePA sind sehr übersichtlich. In der derzeitigen Ausbaustufe ist der Mehrwert der ePA begrenzt”, unterstreichen Buhlinger-Göpfarth und Beier.
“Die Hochlaufphase soll von den Leistungserbringenden genutzt werden, um sich ausgiebig mit der ePA vertraut zu machen und sie in die Versorgungsabläufe zu integrieren”, führt Lauterbach in seinem Schreiben aus. Dabei weiß der Minister aus den Erfahrungen der Modellregionen, dass eine funktionierende Technik dafür Voraussetzung ist. Und: Auch die Sicherheit habe Priorität, zusammen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik habe man daher Maßnahmen erarbeitet, heißt es in dem Schreiben an die Gematik.
Für den verpflichtenden Start zum 1. Oktober sieht der Hausärztinnen- und Hausärzteverband daher noch deutliche Hausaufgaben: “Spätestens wenn die Verpflichtung zur Befüllung ab Herbst greift, darf es keinerlei Entschuldigungen mehr geben. Dann muss die ePA ohne Wenn und Aber tadellos laufen. Hier haben die gematik und die Hersteller noch viel Arbeit vor sich”, so Buhlinger-Göpfarth und Beier.
Kassen müssen Versicherte informieren
Weil die Kassen ihre Hausaufgaben in großen Teilen nicht erledigt haben und viele Kassen Versicherte höchstens mit “halbherzigen Schreiben” über die ePA-Nutzung informiert hätten, fürchten sie zusätzlichen Beratungsaufwand für die Praxen . “Wenn die ePA in zwei Wochen flächendeckend in den Einsatz gehen soll, dann werden Millionen Patientinnen und Patienten Fragen haben.”
Die Praxen könnten aber nicht wieder die Ausputzer für das Kommunikationsversagen der Kassen spielen, betonen die Bundesvorsitzenden. “Es bleibt nur zu hoffen, dass die Kassen noch aufwachen und eine echte und ehrliche Aufklärungskampagne starten.“
Wichtige Klarstellung zur Nutzung bei Kindeswohlgefährdung
In einem anderen auf den 15. April datierten Schreiben, das den entsprechenden Berufsverbänden per E-Mail zugegangen ist, trifft Lauterbach unterdessen eine wichtige Klarstellung zur Nutzung der ePA in einem seltenen, aber besonders sensiblen Fall: beim konkreten Verdacht auf Kindeswohlgefährdung. Denn im Normalfall – und das hatten die Verbände im konkreten Beispiel als problematisch eingestuft – haben Eltern bzw. andere Sorgeberechtigte Zugriff auf die ePA von Kindern und Jugendlichen.
Wichtig für Praxen: Beim Vorliegen konkreter Anhaltspunkte “dafür, dass durch die Befüllung der ePA das Kindeswohl gefährdet wird”, soll deshalb dem Schutz des Kindes Vorrang vor der gesetzlichen Befüllungsverpflichtung des Arztes bzw. der Ärztin gegeben werden, stellt Lauterbach klar.
„Im Zusammenhang mit der Darstellung der Abrechnungsdaten in der ePA und damit einhergehend der Sichtbarkeit von Maßnahmen in Bezug auf den Verdacht einer Kindswohlgefährdung werden wir Maßnahmen ergreifen, die die Identifizierung verhindern”, kündigt er in dem der Redaktion von Hausärztliche Praxis vorliegenden Schreiben zudem an.