Brüssel/Berlin. Vor dem Hintergrund der geplanten Überarbeitung des Arzneimittelrechts auf Ebene der Europäischen Union (EU) warnen Verbände vor einem möglichen Aus für den gedruckten Beipackzettel.
Die vorgesehene elektronische Packungsbeilage (ePI) könne eine sinnvolle Ergänzung sein und echten Mehrwert bieten, der gedruckte Beipackzettel als analoge Möglichkeit müsse jedoch bestehen bleiben, betonen insgesamt acht Verbände der Patientensicherheit, der öffentlichen Gesundheit, der Selbsthilfe sowie des Apothekenwesens in einer gemeinsamen Mitteilung vom Montag (13. Oktober). „Patientinnen und Patienten müssen frei wählen können, ob sie gesundheitsrelevante Informationen digital oder in gedruckter Form erhalten möchten“, heißt es darin.
Hintergrund ist eine Reform des EU-Arzneimittelrechts durch die EU-Kommission. Sie fokussiert vor allem auf große Themen wie die Lieferengpässe, die auch in hausärztlichen Praxen regelmäßig für Ärger sorgen. Teil des sogenannten „Pharmapakets“, das Beobachtern zufolge die größte Reform des EU-Arzneimittelrechts seit mehr als zwei Jahrzehnten ist, ist aber auch die ePI. EU-Kommission, Europaparlament und Mitgliedstaaten sind sich dabei einig, dass diese in Zukunft eine deutlich größere Rolle spielen soll.
Ob die Packungsbeilage auf Papier dann weiterhin bestehen bleibt, durch die elektronische Version ersetzt wird oder beide parallel existieren, soll laut dem bereits seit 2023 vorliegenden Vorschlag jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden.
Beide Wege haben Vor- und Nachteile
Beide Optionen – sowohl die papiergebundene als auch die digitale Fassung – hätten sicherlich Vor- und Nachteile. Verbände wie in der Vergangenheit bereits ABDA und Sozialverband VdK unterstreichen, dass es die gedruckte Version benötige, damit niemand abgehängt werde. „Ein verpflichtender digitaler Zugang würde insbesondere ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Personen mit geringem Einkommen, in ländlichen Regionen oder mit begrenztem Internetzugang sowie sozial benachteiligte Gruppen ausschließen – und damit die Patientensicherheit gefährden“, heißt es auch in der aktuellen Mitteilung.
Vera Lux, Präsidentin des mitzeichnenden Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK), verweist auf Zahlen, nach denen sich 79 Prozent der Bürgerinnen und Bürger weiter die Papierfassung wünschten.
Gleichzeitig würde eine digitale Fassung – gerade auch mit Blick auf ältere und sehgeschädigte Menschen – Vorteile bringen: Informationen sind immer aktuell, vor allem aber ließen sich Schriftgröße und Helligkeit individuell einstellen und den Text könnte man sich vorlesen lassen.
Umsetzung noch völlig offen
Wie genau sich die deutsche Regierung mit Blick auf das EU-Vorhaben positionieren wird, ist noch offen. Auch sind nach dem Entwurf der EU-Kommission noch viele Fragen für die Mitgliedsstaaten zu klären. So heißt es, dass kein Patient und keine Patientin benachteiligt werden solle. Wenn sich Mitgliedstaaten für die grundsätzlich rein elektronische Form entscheiden, müsse sichergestellt sein, dass Patientinnen und Patienten auf Anfrage und ohne zusätzliche Kosten eine Papierfassung der Packungsbeilage bekommen können.
Wie genau das ablaufen würde, ob beispielsweise Apotheken einen entsprechenden Ausdruck zur Verfügung stellen müssten, ist noch unklar. Auch müssten die digitalen Informationen laut EU-Kommission leicht zugänglich sein, „zum Beispiel, indem auf der äußeren Umhüllung des Produkts ein digital lesbarer Barcode angebracht wird“. Der dadurch zugängliche Beipackzettel muss laut dem Entwurf der Kommission die „gleiche oder bessere Informationsqualität“ gewährleisten.
Die weiteren Diskussionen zu dem Gesetzesvorschlag zwischen Kommission, EU-Parlament und Rat der Mitgliedstaaten sollen im Herbst fortgesetzt werden. EU-Politiker Peter Liese (CDU) prognostizierte Medienberichten im Sommer zufolge, dass das Gesetz bis Ende des Jahres beschlossen sein könnte.