„Haben Sie schon einmal Notfallsituationen in Ihrer Praxis erlebt?“, möchte Sybille Stäudle von den 30 Teilnehmerinnen des IHF-Webinars Notfallmanagement wissen. Nahezu jede weiß etwas zu berichten: Vom epileptischen Anfall am Empfangstresen über den Patienten, der bei der Lungenfunktionsprüfung oder während der Blutentnahme kollabiert bis hin zum eigenen Chef, der mit Herzstillstand plötzlich in der Praxis zusammenbricht. Für derartige Situationen ist ein Ablaufplan ungeheuer wichtig.
„Wie sieht so ein Ablaufplan in Ihrer Praxis aus?“, möchte Stäudle von den Teilnehmerinnen des Web-Workshops wissen. Dabei legt Stäudle folgenden Fall zugrunde: ein 64-jähriger männlicher Patient mit Verdacht auf Herzinfarkt, 178 cm, 82 kg stellt sich mit seit zwei Stunden andauernden retrosternalen Schmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm vor; subjektive Dyspnoe.
Die Eltern leiden an einer KHK. Es liegt eine arterielle Hypertonie mit Einnahme eines ACE-Hemmers vor. HF: 88/min, kräftige, einzelne ES, RR 140/70 mmHG, Neurologie o.B., Haut: kaltschweißig, später reanimationsbedürftig. Beim Patienten wird sofort Troponin bestimmt und der Notfallkoffer bereitgestellt, führt eine MFA aus.
Außerdem wird der Notarzt benachrichtigt. In der Zwischenzeit werden Transportschein und Krankenhausweinweisung ausgestellt. Dann erfolgt die Übergabe an den Notarzt. Der Notfallkoffer wird im Anschluss wieder gecheckt und aufgefüllt. Wie die Abläufe in Gänze aussehen, sind in der Regel im QM der Praxis Sybille Stäudle hinterlegt, sagt Stäudle.
„Wie rufen Sie den Notarzt?”, hakt sie nach. An der Anmeldung wird der Rettungswagen und der Notarzt über die 19222 angerufen, sagt eine MFA. Besser ist es, lautet der Tipp von Stäudle, nicht die Rettungsleitstelle anzurufen, sondern immer die 112! Bei einer echten Reanimationssituation würde auch diese auf die 112 verweisen.
Mehrere Vorteile der 112
Die 112 hat dabei mehrere Vorteile: Ruft etwa parallel ein anderer die 112 an, ist man mit der 19222 immer hinten dran, sagt Stäudle. Außerdem: Wird die 19222 über das Handy angerufen, muss immer eine Vorwahl gewählt werden. Sollte zum Beispiel gerade eine andere Person die Aufgabe des Anrufens übernehmen, ist es auch für sie leichter, schnell die 112 anzurufen.
Damit jeder schnell schauen kann, was im Notfall zu tun ist – vor allem auch für weniger erfahrene MFA oder Auszubildende, sollten die acht wichtigsten Schritte für das Telefonat mit der Rettungsleitstelle festgehalten und zum Beispiel am Empfang gut sichtbar aufgehängt werden (s. Kasten links).
„Was ist die wichtigste Frage, die Sie der Rettungsleitstelle stellen?”, möchte Stäudle weiter wissen. Obwohl die Antwort einfach erscheint, kommt keine der Teilnehmerinnen auf: „Kann ich jetzt auflegen?“. Es kann zum Beispiel durchaus sein, dass die Rettungsleitstelle sagt: „Nein, bleiben Sie noch dran, bis der Rettungsdienst ankommt”, meint Stäudle.
Oder: „Wir begleiten Sie in der Reanimation.“ Wichtig sei auch mitzuteilen, wie die Praxis telefonisch erreichbar ist. Haben Sie ein Schlagwort vereinbart, um dem Team zu signalisieren: Es gibt einen Notfall?, möchte Stäudle von den Teilnehmerinnen wissen. Wir haben in allen Räumen eine Notfallklingel“, meint eine MFA. Andere berichten von Notfalllampen.
Stäudle rät zu Codewörtern und zwar möglichst solche, die die anderen Patientinnen und Patienten nicht erschrecken. „Ich hatte mal den Fall, dass ein anderer Patient im Wartezimmer sich so aufgeregt hatte, dass er auch noch umgekippt ist“, warnt Stäudle. Empfehlenswert können auch zwei Codewörter sein: Eines für „normale“ Notfallpatienten, ein zweites für psychiatrische Notfälle oder persönliche Belästigung, so ein weiterer Tipp der Referentin.
Schließlich gibt es immer mehr fordernde Patienten und mit einem Codewort kann ein Teammitglied signalisieren: In dieser Situation möchte ich nicht allein sein.