Der vorliegende Fall (s. Box unten) verdeutlicht ein Patientensicherheitsproblem in Zusammenhang mit der korrekten Gabe und Einnahme von Medikamenten.
Aufmerksamen Leserinnen und Lesern der Jeder-Fehler-zählt-Reihe ist sicherlich aufgefallen, dass Medikationsfehler häufig berichtet werden. Eine Auswertung aller Fehlerberichte von jeder-fehler-zaehlt.de zwischen 2004 und 2021 ergab, dass bei 344 von 781 gültigen Berichten in Zusammenhang mit den kritischen Ereignissen ein Medikament dokumentiert wurde.
Die beteiligten Medikamente wurden in Gruppen unterteilt, dabei waren Arzneimittel für das Nervensystem am häufigsten vertreten [1]. Auch international angelegte Studien zeigen, dass Patientenschäden oft in Zusammenhang mit Medikamenten auftreten.
Medikamente sind im Gesundheitswesen aber nicht nur häufig Teil von Sicherheitsproblemen, sondern auch für einen Großteil der Treibhausgasemissionen einer hausärztlichen Praxis verantwortlich.
Eine bewusste Medikamentenverschreibung, also eine Verschreibung von Medikamenten nur im Falle einer medizinischen Notwendigkeit (“so viel wie nötig, so wenig wie möglich”), kann helfen, die Sicherheit der Patientinnen und Patienten und gleichzeitig das Klima zu schützen.
Offene Fragen
Die Arbeitsgruppe “CIRS ambulant” der Berliner Ärztekammer aus niedergelassenen Berliner Ärztinnen und Ärzten hat sich mit dem Bericht auseinandergesetzt. Zunächst diskutierten die Mitglieder der Arbeitsgruppe den Fall unter folgenden Aspekten:
- Warum hat der Apotheker die Anordnung auf der Verpackung vermerkt, obwohl ein Medikationsplan vorlag?Die Nachfrage der Arbeitsgruppe bei einer Apotheke ergab Folgendes: Die Mitarbeitenden erkundigen sich dort immer bei den Patientinnen und Patienten, ob die Einnahme des Medikaments bekannt ist. Ist dies nicht der Fall, notieren sie – wenn gewünscht – das Einnahmeschema auf der Verpackung. Zudem fragen sie nach dem Medikationsplan. Liegt dieser vor, beschriften sie die Verpackung nur, wenn die Patientinnen und Patienten dies wünschen und eine größere Anzahl ähnlicher Medikamente sie ggf. irritieren könnte.
- Hatte die Apotheke Zugriff auf den Medikationsplan? Hier ergab die Nachfrage der Arbeitsgruppe, dass Apotheken den elektronischen Medikationsplan aktuell noch nicht einsehen können. Erst mit Umsetzung der elektronischen Patientenakte soll es diese Möglichkeit geben (voraussichtlich ab Mitte 2025).
- Sollten die Apothekerinnen und Apotheker fragen, ob ein Medikationsplan vorliegt? Laut Recherche der Arbeitsgruppe fragen die Mitarbeitenden nach dem Medikationsplan. Leider gibt es jedoch nicht selten Fälle, in denen der Medikationsplan vom eingereichten Rezept abweicht oder im Medikationsplan das Einnahmeschema nur als bekannt deklariert und nicht dargestellt wird.
Was tun?
Grundsätzlich sollten sich zur Erhöhung der Patientensicherheit alle in der Versorgung beteiligten Personen bemühen, lesbar zu schreiben. Abkürzungen sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Digitale bzw. ausgedruckte Informationen verringern das Risiko von Missverständnissen durch schwer lesbare Handschriften.
Zudem ist es ungünstig, wenn Informationen zu Medikamentengaben auf mehreren Wegen zur Verfügung gestellt werden, denn dies birgt das Risiko von Übertragungsfehlern. Eine weitere Gefahr besteht bei Änderungen, beispielsweise der Dosierung, bevor die Packung aufgebraucht ist.
Dann kommt es zwangsläufig zu Abweichungen, wenn die ursprüngliche Dosierung auf der Packung vermerkt ist. Sicherer wäre es, sich bei Vorliegen eines Medikationsplans ausschließlich auf diesen zu fokussieren und die Patientinnen und Patienten dahingehend zu sensibilisieren.