© 4x6 - stock.adobe.com Hinter den „Rauchenden Köpfen“ stecken vier Praxiserfahrene, die sich unermüdlich dafür einsetzen, die Bürokratie im Praxisalltag zu minimieren: Dr. Sabine Frohnes, Dr. Christoph Claus, Timo Schumacher und Moritz Eckert.
Diese “Überschriften” der Produktbezeichnung finden Sie im Hilfsmittelverzeichnis auf www.hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de . Es enthält übrigens auch jeweils eine Beschreibung der Produktart (“was ist das eigentlich genau?”) und die Indikation, bei der die Produktart verordnet werden darf.
Genehmigung durch Kasse
Den Vermerk “nur nach Genehmigung durch die Krankenkasse” oder ähnliches können Sie sich sparen. Zum einen gilt dieser nicht, zum anderen ist je nach Krankenkasse sowieso geregelt, welche Hilfsmittel (meist ab einem bestimmten Preis oder bei bestimmten Produkten) genehmigungspflichtig sind.
Der Hilfsmittelversorgende (Leistungserbringende) muss hier einen Kostenvoranschlag erstellen und die genauere Ausführung (also, welches Produkt) begründen. Hierfür ist entsprechende Fachkunde erforderlich, die die meisten Ärztinnen und Ärzte vermutlich nicht haben.
Tipp: Lassen Sie sich also nicht vor den Karren eines Leistungserbringenden spannen und schreiben Produktdetails aufs Rezept, mit denen Sie sich nicht auskennen und deren Notwendigkeit Sie nicht beurteilen können – nur um dem Sanitätshaus die Beantragung zu vereinfachen.
Prüfer von Krankenkassen berichten von Fällen, in denen die abenteuerlichsten Hilfsmittel “auf Zuruf” verordnet wurden – wie beispielsweise ein Exoskelett für eine über 80jährige Dame, damit diese ihre Wasserkästen tragen könne. Oder ein Vertretungskollege verschrieb eine spezielle Beinorthese für eine 60jährige Patientin, diese sollte 50.000 Euro kosten.
Verständlicherweise fragte die Krankenkasse nach, warum es diese Versorgung brauche, was der Kollege nicht beantworten konnte und auf den Orthopäden verwies. Cave: Der Kollegenverweis ist kein gutes Argument. Wenn Sie etwas unterschreiben, tragen Sie dafür auch die Verantwortung.
Es hilft Ihnen also nachträglich nicht, dass sie nicht wussten, was sie rezeptiert haben. In diesem konkreten Fall erhielt die Patientin nach mehrmonatigem Rechtsstreit eine für ihre Bedürfnisse adäquate Orthese für knapp 8.000 Euro. Die vorherige inadäquate Verordnung hat hier nur allen Beteiligten Ärger und Zeitverlust gebracht.
Deutlich schneller wäre es gegangen, wenn schlicht eine “Beinorthese zum Erhalt der Mobilität, erforderlich bei…” verordnet worden wäre. Die Wahl des konkreten Produkts hätte dann der Orthopädietechniker begründen müssen.
Kontrolle des Hilfsmittels
Laut Hilfsmittelrichtlinie sind Leistungserbringende (also Sanitätshaus und Co.) übrigens bei der Lieferung des Hilfsmittels verpflichtet, dieses auf die Menschen anzupassen und in dessen Gebrauch einzuweisen. Ärztinnen und Ärzte wiederum sollen überprüfen, ob das Hilfsmittel zweckmäßig gebraucht wird.
Sollte es hier zu Unstimmigkeiten kommen (“passt nicht”, Versicherte kommen nicht zurecht, Hilfsmittel wird doch nicht benutzt etc.), müssen sie die Versorgung anpassen (Austausch, Reparatur veranlassen).
Welche Möglichkeiten gibt es nun, um Menschen wieder zu mobilisieren?
Beispiel 1: Pflegebett
Manchmal fragen Menschen nach der Verordnung eines Pflegebettes, weil das eigene nicht höhenverstellbar, durchgelegen oder ein neues zu teuer ist. Oder Angehörige fragen danach, weil jemand allein nicht mehr aus dem Bett aufstehen kann. Ist hier ein Krankenpflegebett verordnungsfähig?
Es lohnt ein Blick in das Hilfsmittelverzeichnis unter dem Suchbegriff “Bett”. Merke: Pflegebetten gelten in der Regel als Hilfsmittel der Pflegekasse und werden erst ab Pflegegrad 3 bewilligt. Nur bei vorübergehender Immobilität, die keinen längerfristigen Pflegegrad begründen, wäre hier die Krankenkasse überhaupt zuständig!
Glücklicherweise kann Ihnen das im konkreten Fall nahezu egal sein, weil die Kasse das intern klärt. Ein Pflegebett kostet etwa 600 Euro im Jahr und verbleibt im Besitz des Leistungserbringenden. Weisen Sie ggf. Angehörige darauf hin, dass es keine gute Idee ist, das Bett auf Ebay zu verkaufen, wenn Oma gestorben ist. Denn Leistungserbringende werden es zurückfordern.
Zur Verordnung eines Pflegebetts steht im Hilfsmittelverzeichnis unter “Indikation” u.a. “erheblich bis voll ausgeprägte Beeinträchtigung der Mobilität. Zur Entlastung der Pflegenden (…) nicht mehr spontan mobiler, über weite Teile des Tages bettlägeriger Pflegebedürftiger, wenn die Pflege ganz oder teilweise im Bett vorgenommen wird”.
Merke: Hieraus ergibt sich, dass es als Indikation nicht reicht, wenn Oma nur schwer aus dem Bett aufstehen kann, um dann den ganzen Tag herumzulaufen.
Ebenfalls im Hilfsmittelverzeichnis finden sich jedoch auch behindertengerechte Betten und Bett-Zurichtungen wie Einlegerahmen etc., außerdem behindertengerechtes Bettzubehör wie Aufrichthilfen (Bettgalgen etc.). Hier sollte am besten das Sanitätshaus beraten, was sinnvoll erscheint und angemessen ist.
Bitte lassen Sie sich nicht “hinreißen” und überschreiten Maße von über 90 cm und 200 cm (zum Beispiel 100 x 200 cm). Diese Überschreitung würde den Fallpauschalenpreis von 600 Euro auf bis zu 7.000 Euro im Härtefall hinauftreiben. Stattdessen gibt es zum Beispiel Schwerlastbetten für Menschen mit einer ausgeprägten Adipositas.
Tipp : Wenn das Sanitätshaus in unserem fiktiven Beispiel die “Tempotaschentücher mit Aloe Vera etc.” empfiehlt, suchen Sie zunächst über die Suchfunktion des Hilfsmittelverzeichnisses, wo im Verzeichnis das Produkt steht.
Die Tempos stünden beispielsweise unter der Überschrift “Taschentücher”. Unter Indikation fänden Sie dann “Erkältungsinfekte oder allergische Reaktionen mit vermehrter Sekretion der Nasenschleimhäute, Schnupfen”. Passt die Indikation, schreiben Sie aufs Rezept lediglich die “Überschrift”, also die Produktart mit der siebenstelligen Ziffer aus dem Verzeichnis. Die Begründung der konkreten Ausführung (meist zehnstellige Ziffern) muss im Folgenden dann das Sanitätshaus verantworten.
© Birgit Reitz-Hofmann/stock.adobe.com Standard-Rollator
© Birgit Reitz-Hofmann/stock.adobe.com Leichtgewichtsrollator
© Robert Hoetink/stock.adobe.com Rollator mit erhöhter Belastbarkeit (über 150 kg)
© Mobilex A/S Hier beispielhaft ein Rollator mit Unterarmauflage von Mobilex A/S.
Bei einem Pflegebett heißt die Produktart “50.45.01.1 – Pflegebetten, motorisch verstellbar” – Sie können mit oder ohne die siebenstellige Zahl verordnen. Notieren Sie die Diagnose dazu und setzen Sie das Kreuz bei der “7” – fertig ist das Rezept.
Tipp: Noch einfacher wird es, wenn Sie sich hierfür Vorlagen oder Textbausteine anlegen, wie zum Beispiel “motorisch verstellbares Pflegebett, erforderlich bei Immobilität”. Welches Fabrikat, Farbe etc. dann geliefert wird, handeln Versicherte, Sanitätshaus und Kranken-/Pflegekasse miteinander aus.
Beispiel 2: Rollator
Ein Rollator ist laut Hilfsmittelverzeichnis ein vierrädriges Gerät, das stabiler ist als ein sogenanntes Deltarad (Gehwagen mit drei Rädern ohne Sitz). Es wird noch detaillierter ausgeführt, aber eine grobe Vorstellung, um was es sich handelt, haben die meisten. Es wird in den Produktarten noch unterschieden zwischen
“normalen” Rollatoren,
Leichtgewichtsrollator,
solchen mit erhöhter Belastbarkeit (über 150kg) und
solchen mit Unterarmauflagen.
Faltbar sind die Geräte “von Haus aus”, das muss also nicht zusätzlich verordnet werden, ebenso wie Bremsen etc. (übrigens hat das Hilfsmittelverzeichnis einen Tippfehler: mit “Bodenzüge” sind “Bowdenzüge” wie am Fahrrad gemeint).
Wie beim Pflegebett existieren für Rollatoren Versorgungspauschalen, womit das Gerät also im Eigentum des Leistungserbringenden bleibt. Die Pauschalen laufen über einen Zeitraum von drei bis vier Jahren. Notwendige Reparaturen bei Standardrollatoren (vierrädrig, Korb/Tablett, Gewicht von ca. 12kg) liegen daher nicht im Leistungsumfang der Krankenkasse oder des Versicherten, sondern beim Leistungserbringenden.
Der Leistungserbringende erhält für die gesamte Laufzeit ca. 100 Euro brutto. Nur in speziellen Fällen ist ggf. ein Leichtgewichts-Rollator erforderlich, der etwa den dreifachen Preis hat und etwa halb so schwer ist wie ein “normaler” Rollator. Bei Menschen mit Störungen der Handfunktion, wie bei rheumatoider Arthritis, kann die Verordnung eines Rollators mit Unterarmauflagen sinnvoll sein.
Grundsätzlich können Patientinnen und Patienten immer eine Aufzahlung (Mehrkosten) für eine Wunschausführung leisten, etwa Farbwünsche, Räder mit LED-Blinklichtern. Der Standard-Rollator ist jedoch für die normale gesetzliche Zuzahlung erhältlich.
Die Sanitätshäuser müssen übrigens an die Krankenkassen melden, wie oft und in welchem Umfang sie Sonderwünsche erfüllen und berechnen. Bei Auffälligkeiten wird dem Leistungserbringenden relativ genau auf die Finger geschaut. Es kann außer Wunsch-Erfüllern auch schwarze Schafe geben, die die “Kassengestelle” erst mal schlechtreden, um dann etwas Teures zu verkaufen.
Die Rezepte würden also beispielhaft folgende Texte enthalten:
ein Rollator, vierrädrig, erforderlich bei eingeschränkter Mobilität
ein Leichtgewichtsrollator bei Gangstörung und mangelnder Handkraft
ein Rollator, vierrädrig, erhöhte Belastbarkeit, erforderlich bei Gangunsicherheit und Körpergewicht über 150 kg
ein Rollator mit Unterarmauflagen, erforderlich bei Sturzgefahr und eingeschränkter Handfunktion bei rheumatoider Arthritis
Nach dem Pareto-Prinzip können Sie so etwa 80 Prozent der Anforderungen mit wenig Aufwand bearbeiten!
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