Köln. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens muss sich konsequent am Praxisalltag orientieren und einen echten Mehrwert für die Versorgung bieten. Das haben die Delegierten des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes bei ihrer Frühjahrstagung am Samstag (10 Mai) in insgesamt acht einstimmig entschiedenen Anträgen unterstrichen.
So hat die Delegiertenversammlung den Gesetzgeber unter anderem aufgefordert, die „Hochlaufphase“ der elektronischen Patientenakte (ePA) zu nutzen, „um zentrale Kriterien der Nutzbarkeit in der Versorgung zu prüfen und erst auf dieser Grundlage über eine verpflichtende Nutzung zu entscheiden“. Dafür müssten zentrale Anforderungen wie Datensicherheit, technische Stabilität und Nutzerfreundlichkeit zuverlässig erfüllt sein.
Forderung: “Von der Akte zum Nutzen”
Ein anderer Antrag trägt den bezeichnenden Namen „Von der Akte zum Nutzen“. Auch hierin wird gefordert, die ePA „mit Versorgungslogik“ zu denken.
Vorrangig seien folgende Funktionalitäten umzusetzen:
- eine funktionierende Volltextsuche und Filterfunktion für alle Dokumente und Daten innerhalb der ePA
- ein verbindlicher, sektorenübergreifender elektronischer Medikationsplan
- ein automatisiert befüllbarer digitaler Impfpass
Die aktuelle Befüllung der ePA durch pdf-Dateien sei völlig „zweckfrei“, kritisierte Dr. Kristina Spöhrer (Niedersachsen) vor den Delegierten. Spöhrer ist Sprecherin der Arbeitsgruppe Digitales im Hausärztinnen- und Hausärzteverband, die die entsprechenden Anträge vorbereitet hat. „Unser aktuelles Vorgehen wird in die Geschichte eingehen als die sinnfreisten Daten, die man je in eine ePA hochgeladen hat“, kritisierte Spöhrer und erntete dafür tosenden Beifall.
Volltextsuche erst Mitte 2026 – und lückenhaft
Wichtige Werkzeuge wie die Volltextsuche seien abermals verschoben worden und aktuell für Mitte 2026 angekündigt, führte Spöhrer aus.
Zudem sei Stand heute davon auszugehen, dass die Kriterien zu unscharf definiert seien, sodass nicht jedes Praxisverwaltungssystem (PVS) bei gleicher Suche zu gleichen Ergebnissen kommen wird. Dies sei im Alltag katastrophal. „Wir brauchen eine Volltextsuche, die funktioniert.“ Unter dem Beifall der Delegierten forderte Spöhrer Anwendungen, die verlässlich funktionieren.
Über die ePA hinaus beschäftigen die AG Digitales laut Aussage ihrer Sprecherin folgende Themen, die ebenfalls in entsprechenden Anträgen thematisiert wurden:
- Künstliche Intelligenz (KI): Diese wird Teil der Versorgung “und das ist gut und richtig”, so Spöhrer – aber KI könne nicht die Lösung aller Probleme sein. Es brauche klare Regelungen für den Einsatz von KI, inklusive Evaluation. “All das muss über den Gesetzgeber geregelt werden.” Tipp: Die AG Digitales hat ein Positionspapier “KI in der Hausarztpraxis” veröffentlicht.
- Die “skurrile Entwicklung“, dass Kliniken eigene Portale bauen. Zum Hintergrund: Mit den Krankenhauszukunftsgesetz wurden die Krankenhäuser finanziell stark angereizt sogenannte Patientenportale (oder Einweiserportale) zu etablieren, heißt es in der Begründung des entsprechenden Antrags. Der Gesetzgeber müsse hier auf einheitliche Standards hinwirken. “Diese Portale sollen verpflichtend die Nutzung der ePA sowie der Kommunikationsdienste KIM und TIM ermöglichen, um eine sektorenübergreifende, sichere und effiziente Kommunikation zwischen Krankenhäusern und hausärztlichen Praxen zu gewährleisten.”
- Zu Behörden – etwa den Landesämtern für Versorgung, der Deutschen Rentenversicherung, den Arbeitsagenturen und dem Öffentlichen Gesundheitsdienst – müsse eine digitale Schnittstelle geschaffen werden. Aktuell würden Anträge und Co vielfach ausgedruckt und gefaxt.
Technik einsetzen zur Regress-Prophylaxe
Ein weiterer Antrag betrifft die Schnittstelle von Digitalisierung und Regressprüfungen. Regresse seien im Praxisalltag ein großes – direktes oder indirektes Hindernis und die im Koalitionsvertrag vorgesehene Bagatellgrenze löse dieses Problem nicht umfassend, erklärte Antragsteller Dr. Nils Vogel (Nordrhein). Vielmehr gelte es, Regressen im Vornherein zu begegnen – und zwar durch technische Unterstützung.
So sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV), Krankenkassen sowie PVS-Hersteller “sämtliche Algorithmen, Mechanismen, Prüfprotokolle, Programme und sonstige Verfahren, mit denen die Wirtschaftlichkeit ärztlicher Verordnungen geprüft wird”, vollständig und transparent offenlegen. PVS-Anbieter sollen diese Prüfmechanismen und -protokolle dann in ihre Systeme zu integrieren, sodass Hausärztinnen und Hausärzte eine unmittelbare Rückmeldung in der täglichen Arbeit erhalten können.
„So könnten Regresse im Vornherein vermieden werden”, hofft Vogel. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.